"Man kann sich getrost unter große Bäume setzen" (2024)

Interview | Sicherheit unter Berliner Bäumen - "Man kann sich getrost unter große Bäume setzen"

Sa 22.06.24 | 10:54 Uhr

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"Man kann sich getrost unter große Bäume setzen" (1)

dpa/Pengfei

    Bäume, die auf Menschen fallen? Ein Problem im Promille-Bereich, sagt Derk Ehlert, der bei der Berliner Senatsverwaltung im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung tätig ist. Er appelliert aber wegen eines Restrisikos an den gesunden Menschenverstand.

    rbb|24: Hallo Herr Ehlert. Immer mal wieder kippen Bäume um oder es fallen Äste herab - und verletzen Menschen. Was ist los mit den Berliner Bäumen?

    Derk Ehlert: Eigentlich ist gar nichts los. Wir haben allein in Berlin 430.000 Straßenbäume und unzählige Bäume, die in Park- und Grünanlagen stehen. Außerdem nicht gezählte Bäume auf privaten Grundstücken. Hinzu kommen mehrere Millionen Bäume in den Berliner Waldgebieten. Wenn da ab und zu mal ein Baum umkippt oder Äste abfallen, ist das für den Baum bedauerlich und für uns Menschen auch – sofern wir daneben oder darunter stehen. Aber die Vorfälle befinden sich im Verhältnis im Promille-Bereich. Es handelt sich also um einen völlig normalen Zustand.

    • dpa/Jörg Carstensen

      Berlin - Baum im Mauerpark umgestürzt - drei Personen verletzt

      Die Feuerwehr ist am Sonntagabend mit einem Großaufgebot im Prenzlauer Berg in Berlin im Einsatz. Drei Menschen wurden von einem umgestürzten Baum im Mauerpark verletzt. Die Feuerwehr spricht von "Glück im Unglück".

    Ihr Eindruck ist also nicht, dass das derzeit öfter passiert als sonst?

    Es ist so, dass es hier und da zu Astbrüchen kommt. Wenn niemand daneben steht und es keiner mitbekommt, wird darüber auch nicht berichtet. Eine Häufung verzeichnen wir nicht.

    Aber es heißt ja immer, dass die Berliner Bäume gestresst sind und nicht gesund.

    Da haben Sie Recht. Die Bäume stehen unter Stress. Und Bäume werfen, wenn sie tote Äste haben, diese auch so irgendwann ab. Sie trennen sich auch von Ästen, wenn sie der Auffassung sind, dass sie diese nicht mehr brauchen. Das kann auch in einer lauen Sommernacht passieren, wenn es gerade nicht windig oder stürmisch ist. Für uns Menschen passiert das dann ganz plötzlich – für den Baum nicht. Denn er trennt sich von einer unnützen Last.

    Passiert das auch, wenn Bäume ihr Lebensende erreicht haben?

    Stadtbäume werden grundsätzlich nicht so alt wie die Familie derselben Art im Wald. Da kommen wieder die Stressfaktoren in der Stadt ins Spiel. Klimastress ist ja nur ein Faktor. Es gibt darüber hinaus zunehmende Winde, Stürme, Boden-Aufgrabungen, Eutrophierungen sowie Stamm- und Wurzelschäden. Es gibt so viele Störfaktoren, die ein Stadtbaum aushalten muss, so dass es durchaus normal ist, wenn er nicht so alt wird und er bestimmte Mangelerscheinungen hat.

    Wenn es kracht, man es reißen hört, man Risse sieht oder andere Auffälligkeiten hört, sollte man dem entsprechenden Baum fernbleiben

    Wie sorgt denn Berlin dafür, dass die Stadtbäume so gesund – und damit sicher - wie möglich sind?

    Weil sich in der Stadt sowohl an den Straßen als auch in den Parkanlagen dauerhaft Menschen bewegen, werden die entsprechenden Bäume besonders kontrolliert. Es gibt die VTA, die Visual-Tree-Assessment-Methode, die international überall gleich ist. Das heißt, dass jeder Baum, der im öffentlichen Straßenraum steht, muss standsicher sein. Darauf werden die Bäume in Berlin regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, überprüft. Dabei wird kontrolliert, ob eine Gefahr von dem Baum ausgeht. Jeder Bezirk hat entsprechende Mitarbeitende, die das machen.

    Auch hierfür haben die Berliner Bäume in einer gewissen Höhe Nummern oder Ziffern. Dadurch wird der Baum katalogisiert, digitalisiert, erfasst und regelmäßig begangen. Bei der Begehung hält der Profi nach äußeren Merkmalen Ausschau. Also ob der Wuchs schütter ist, ob es Wipfel-Dürre gibt, ob da Äste kaputt sind oder es Stamm- oder Wurzelschäden gibt. Sobald ein Baum nicht mehr als voll wachsend und nicht mehr als gut sicher eingetragen wird, wechselt er die Kategorie und wird dementsprechend häufiger begangen. Zudem werden Maßnahmen wie das Wegschneiden von Totästen oder das Stutzen der Baumkrone eingeleitet. Das Fällen eines Baumes ist die letzte Methode – wenn es gar nicht anders geht.

    Können die entsprechenden Mitarbeiter denn wirklich alle Schäden auch sehen?

    Es gibt Krankheiten, die durch äußerliche Merkmale nicht erkennbar sind. Pilze beispielsweise. Sie können einen Baum innerhalb von kurzer Zeit von innen befallen – und das sieht man dem Baum von außen nicht an. Er kann in voller Krone stehen und grün sein und doch innerhalb weniger Wochen so geschwächt sein, dass er plötzlich umkippt.

    • rbb

      Vier Verletzte - Umgestürzter Baum in Friedenau war von Pilzen befallen

    Wie sicher sitzt man also unter Berlins Bäumen?

    Man kann sich getrost unter große Bäume setzen. Man sollte es auch. Denn den Schatten dieser Bäume sollte man wirklich genießen. Aber man sollte auch den gesunden Menschenverstand walten lassen. Wenn es kracht, man es reißen hört, man Risse sieht oder andere Auffälligkeiten hört, sollte man dem entsprechenden Baum fernbleiben. Es ist sicherlich auch ratsam, keine Kopfhörer aufzuhaben – damit man die Geräusche überhaupt wahrnehmen kann. Es gibt keine absolute Sicherheit, sich draußen ohne jegliche Gefahr bewegen zu können.

    Die Stadt macht wirklich vieles, damit wir sicher leben können. Aber eine Restgefahr bleibt. Jeder Fall, bei dem Menschen verletzt oder getötet werden ist natürlich einer zu viel. Aber Bäume werfen – das ist ein ganz natürliches Verhalten – auch immer mal Äste ab.

    Vielen Dank für das Gespräch.

    Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

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    1. 8.

      Antwort auf [Friedrichshainer ] vom 22.06.2024 um 16:57

      Vielleicht einfach mal bewerben und dann beim kontrollieren dabei sein :-) und anscheinend hast du mit 365 Tagen gerechnet, da stimmt wohl etwas nicht ganz!

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    2. 7.

      Antwort auf [Gesunder ] vom 22.06.2024 um 18:16

      Sorry, diese Reaktion auf meinen Kommentar kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
      Ich gehe mit offenen Augen durch Berlin - übrigens als "Urberliner" - und sehe wie sich diese/meine Stadt leider immer mehr zum Negativen verändert. Da darf ich doch wohl daran zweifeln, dass sich hier täglich ein Mitarbeiter um rund 1700 Bäume kümmert. Mir hat man beigebracht, nicht alles zu glauben. Man wird sonst schnell zum stupiden Abnicker. Davon gibt's leider viel zu viele. Wenn Sie zu denen "Tschüss" sagen, stimme ich Ihnen zu.

      Antworten

    3. 6.

      Antwort auf [Tastatur] vom 22.06.2024 um 16:40

      @ Tastatur, der nächste schimpft, weil ihm der unbeschnittene Baum die Sonne auf dem Balkon nimmt.
      Der Leser merkt's: keine Satire.

      Antworten

    4. 5.

      Antwort auf [Friedrichshainer ] vom 22.06.2024 um 16:57

      Nur weil Du die Leute nicht bei ihrer Arbeit siehst, findet es also nicht statt... Aha.... sehr schlau.... Vielleicht sollte sich auch Berlin mal von unnützen Lasten befreien.... So wie unser Planet das auch endlich mal machen sollte. Tschüß.

      Antworten

    5. 4.

      "Darauf werden die Bäume in Berlin regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, überprüft. Dabei wird kontrolliert, ob eine Gefahr von dem Baum ausgeht. Jeder Bezirk hat entsprechende Mitarbeitende, die das machen."

      Bei 430 000 Straßenbäumen bedeutet das täglich 1.178 Bäume kontrollieren - bei einer Kontrolle-. Und das sind nur die Straßenbäumen.
      Wie viele Mitarbeiter sollen denn damit beschäftigt sein?

      Ehrlich gesagt, DAS glaube ich nicht. Schon gar nicht wenn man sich die eine oder andere Krücke von Straßenbaum anschaut.

      Antworten

    6. 3.

      Hm, ein sehr interessanter Beitrag.
      Hoffentlich hat der Interviewte auch die passenden Argumente, wenn es gilt, das teure Blech zu retten. Unüberlegte haben ihr absolut notwendiges Gefährt unter Altbäumen in der Str. - freiwillig, da ohne etwa Kosten für den Parkplatz im Öffentlichen Raum - abgestellt.
      Damit der Altbaum nicht etwa noch weitere 'biologisch/physiologisch bedingte Eigenarten selbst entscheidet', rückte nun die Feuerwehr an, und schwups die wupp wurde dem alten Herrn das Geäst eingekürzt. Toll, sagten sich die Mieter in den oberen Etagen, die sommers schon der prallen Sonne, mehrstündig auf die Fensterfront prasselnd - ausgesetzt sind.
      So ist es richtig! Ach, wären wir doch auch geliebte u. zu schützende Autos! Wer also dort oben auf eine Winzigkeit von Beschattung gehofft haben könnte, darf mit -/+ Vorhängen Sonnenschutz weitermachen.
      Der Leser merkt's - Satire.

      Antworten

    7. 2.

      Die meisten Menschen suchen Schatten im Sommer unter einen Baum. "Bei den Rat, wenn es kracht, man es reißen hört, man Risse sieht oder andere Auffälligkeiten hört, sollte man dem entsprechenden Baum fernbleiben". Zitat. Da ist mir der Rat- fernzubleiben-zu wenig. Dem Bezirksamt, evtl. dem Ordnungsamt in einer kleineren Gemeinde dieses Vorkommnis zu melden wäre vernünftig. ( Das kann durch ein Formular - online auch gemacht werden). Vernünftig aus dem Grund, selbst geht man weg, bleibt fern und ein nächster Gast unter dem Baum bekommt die volle Astladung usw. ab? Gerade in der schweren Unwetterlage wäre es sinnvoll damit nichts weiter passiert. Ein Autofahrer hat bei brechende Bäume keine Chance, der Spaziergänger schon.

      Antworten

    8. 1.

      Es wundert mich, dass besonders sensible Bereiche, wie Bäume an/auf Spielplätzen, offenbar keine gesonderte Aufmerksamkeit erfahren. Finde ich nicht unproblematisch.

      Antworten

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    Author: Corie Satterfield

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